24. März 1848: Zum ersten Mal wird die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Rathaus gehisst

Nach den revolutionären Ereignissen in Berlin kam es wie überall in Deutschland auch in der Grafschaft Wernigerode zu heftigen Bevölkerungsunruhen. Nahezu alle Gemeinden wandten sich mit “März-Petitionen” an die gräfliche Regierung. Vor allem forderte man die Abschaffung noch vorhandener feudaler Lasten und die Beseitigung der Vorrechte des Grafen in der Gemeindeverwaltung, im Gerichtswesen, bei der Besetzung der Pfarrer-, Lehrer- und Schulzenstellen, in der Jagdausübung usw. Am 31. März nahm Graf Henrich mit einer Bekanntmachung zu den Petitionen Stellung. Er gestand lediglich zu, bei der Besetzung der Pfarrerstellen und der Ortsvorstände die Wünsche der Gemeinden zu berücksichtigen. Er galt als geschickter Taktierer, denn bereits am 24. März hatte der Graf auf die Anfrage des Bürgermeisters von Wernigerode, Wilhelm Julius Hertzer, ob auf dem Rathaus die Schwarz-Rot-Goldene Fahne gehisst werden dürfe, mit der Bemerkung geantwortet: Er fände es “nur angemessen”, wenn “diese Fahne aufgesetzt werde” (Quelle: Konrad Breitenborn: Im Dienste Bismarcks; Verlag der Nation Berlin; 1986).

18. Februar 1869:  “Gründung” des ADAV in WR

Am 17. Februar erschien im “Wernigeröder Intelligenzblatt” folgende Anzeige: Allgemeiner deutscher Arbeiter-Verein – Große öffentliche Versammlung der Mitglieder obigen Vereins auf Donnerstag, als den 18. d. M., Abends 7 Uhr, im Locale des Schützenwirths Herrn Henneberg zu Wernigerode, wozu sämmtliche Arbeiter, namentlich aber auch die Handwerker (Meister und Gesellen) von Wernigerode, Nöschenrode, Hasserode und der ganzen Umgegend hiermit freundlichst eingeladen werden. Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten. Der Zutritt steht Jedem frei. Tagesordnung: 1. Die Noth der arbeitenden Klassen und Mittel, dieselbe zu heben. 2. Der Allgemeine deutsche Arbeiter-Verein, seine Tendenzen und seine Erfolge. Im Auftrage: C. Naters, Bevollmächtigter des Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins. Halberstadt, den 15. Februar 1869.

Damit darf der 18. Februar 1869 als Geburtsstunde der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterbewegung in Wernigerode gelten. Am 22.2.1869 trat der ADAV in Wernigerode zum zweiten Mal mit einer großen Versammlung an die Öffentlichkeit. Mit 600 Besuchern war der Saal des Schützenhauses überfüllt. Das “Wernigeröder Intelligenzblatt” vom 27. Februar berichtete in belehrendem Ton: In den letzten Wochen haben sich hier Sendboten der socialdemokratischen oder Lasalle’schen Partei eingefunden, um hier für ihre Volksbeglückungspläne zu werben. Dem Vernehmen nach haben sich hier wirklich Anhänger gefunden, und sie haben hier einen Verein mit dem stolzen Namen “Allgemeiner deutscher Arbeiterverein” gebildet, welcher am Montag, den 22. d. M. eine Versammlung seiner Mitglieder im Schützenhause gehalten hat. Da laut der öffentlichen Bekanntmachung im Intelligenzblatt nur Mitglieder des Vereins zu dieser Versammlung eingeladen waren, konnten wir nicht anwesend sein, und waren daher auch nicht in der Lage, dort die Anhänger dieser neuen Lehre von den großen und folgenschweren Irrthümern derselben zu bekehren… Danach wurde ein Artikel abgedruckt, der im in Berlin erschienenen “Social-Demokrat” veröffentlicht worden war – natürlich nicht, ohne diesen abschließend zu kommentieren. Der Artikel des “Redakteurs Naters” aus Halberstadt im “Social-Demokrat” vom 23. Februar begann allerdings auch sehr euphorisch: In Wernigerode am Fuße des Harzes großer Sieg unserer Partei, vollständige Niederlage unserer Gegner. Vor acht Tagen hatte ich dort die erste Versammlung zusammenberufen. Der Erfolg war, daß sich 136 Mann einzeichnen ließen. Auf gestern war eine neue Versammlung von dem Herrn Fritz Jungk angesetzt. … Derselbe hatte indeß durch Expreßboten mich auffordern lassen, doch herauf zu kommen, da Hülfe sehr Noth thue; es stände alles auf dem Spiele. … Ich und der Zimmermann Herr Lampe von hier eilten nun nach dort. Die Versammlung war von mindestens 400 Personen besucht. Hunderte mußten wegen Mangels an Platz das Lokal verlassen. Unsere Gegner, welche von unserer Ankunft nichts wußten, hatten sich zahlreich eingefunden. Nachdem Herr Jungk die Versammlung eröffnet und einen kurzen Vortrag über den Zweck unseres Vereins gehalten hatte, trat ich auf, um zu sprechen. Ein freudiges Gemurmel lief durch die Reihen als es hieß: die Halberstädter sind da, während die Gegner sich entsetzten. … Das Resultat des Abends war, daß sich über 200 Mann noch einzeichneten, so daß die jetzige Mitgliederzahl unseres Vereins in Wernigerode 350 beträgt. Ich glaube, hinter einem solchen Resultate in einer Stadt von 7000 Einwohnern, muß manche große Stadt beschämt zurückstehen. … Der ersten Unterzeichnerliste sind hingegen folgende Daten zu entnehmen: Erster Unterzeichner in Wernigerode war der Zigarrenmacher Fritz Jungk am 18. Februar 1869. An jenem Tag unterzeichneten laut Liste weitere 26 Personen. Am 22. Februar unterschrieben auf dem vorliegenden Mitgliederverzeichnis 94 neue Mitglieder, am 1. März kamen weitere 44 Mitglieder hinzu, am 8. März noch einmal vier, am 13. März weitere fünf Mitglieder aus Wernigerode, Nöschenrode und Hasserode.

01. März 1869: Gründung des Maurer-Fachvereins im Rahmen einer ADAV-Versammlung

Ein Artikel im “Wernigeröder Intelligenzblatt” befasst sich dann – konsequenterweise erkennt man die Verbindungen zwischen einer Arbeiterpartei und der gewerkschaftlichen Vertretung der Arbeiter – mit einem quasi gewerkschaftlichen arbeitenden und organisierten Fachverein, nämlich dem der Maurer, und mit den Vorteilen, die eine Mitgliedschaft im “Maurerfachverein” für deren Mitglieder hat, z. B. wenn ein Mitglied “infolge seines Auftretens für die Arbeitersache brotlos wird”, so soll er Unterhalt aus den Vereinsmitteln erhalten und bei Arbeitseinstellungen, d. h. wenn die Maurer beschließen massenhaft zu feiern, um höheren Lohn von den Arbeitsherren zu erzwingen, so soll jedes frierende Mitglied täglich 10 Sgr. erhalten. Natürlich rät das “Wernigeröder Intelligenzblatt” abschließend den Maurern – und nur in deren “Interesse” – dem gegründeten Maurerfachverein nicht beizutreten, denn: Ja, wir fürchten, wenn es erst einmal bekannt wird, daß die Mehrzahl der hiesigen Maurer einem solchen Verein beigetreten ist, und daß sie damit gezeigt hat, wie sie zu solchen Arbeitseinstellungen geneigt ist, so wird dieser Umstand allein schon genügen, um manche Leute, welche jetzt zu ihrem Vergnügen oder aus Speculation bauen, ganz und gar davon abzuschrecken, und es wäre daher ein solcher Weg das sicherste Mittel, um dem Mauerergewerk und zugleich allen Bauhandwerken dauernden Schaden zu bringen… Also Vorsicht!