SPD gegen Dreiklassenmedizin

Siegfried Siegel, Wernigeröder Stadtrat und sozial- demokratischer Landtagskandidat für den Harz, kündigte den öffentlichen Bürgerstammtisch der SPD moderierend schon zu Beginn der Veranstaltung an: Das Thema Gesundheitspolitik ist schwierig – aber das, was die CDU-FDP-Bundesregierung hier als Reform verkaufen will, ist Lobbypolitik, bei der der Patient auf der Strecke bleibt.” Dem stimmte der kompetente Gesprächspartner, der praktizierende Arzt Dr. Matthias Bosse aus Wernigerode zu. Er bezeichnete die Gesundheitsreform des FDP-Ministers Rößler als “billige Nummer”, da “nur die Beiträge erhöht werden und neue Ungerechtigkeiten im System geschaffen werden, wie das Einfrieren des Arbeitgeber-Beitrages in der Krankenversicherung.” Mit Blick auf die SPD-Vorgängerin im Amt des Gesundheitsministers ergänzte Dr. Bosse: “Ulla Schmidt hatte viele Kritiker, aber eines muss man ihr zugestehen: Handwerklich hat sie eine gute Arbeit gemacht.” Wie schwierig das Thema als solches ist, sah man auch an den Akten und Unterlagen, die vor Siegfried Siegel und Dr. Bosse auf dem Tisch lagen. Gleichwohl betonten die Gäste des Stammtischs, dass sie das SPD-Konzept von einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und die alle Einkommensarten, also auch Zins- und Mietgewinne berücksichtigt, favorisieren. Siegfried Siegel zitierte eine Studie, dass nach der Einführung einer Bürgerversicherung die Beiträge für die Krankenversicherung sogar um 2,2% sinken würden. Dem stimmte Dr. Bosse zu und ergänzte, dass auch im System selbst große Einsparungsmöglichkeiten herrschen: “Laut OECD-Bericht hat Deutschland die meisten Krankenhausbetten pro Kopf und die höchste Liegezeit von Patienten – das sind erhebliche Kosten. Außerdem sollten noch viel mehr Kassen fusionieren, zurzeit haben wir doch einen Wettbewerb z.B. zwischen AOK und Barmer wie früher zwischen HO und Konsum”, warb der Arzt für einen qualitativen und nicht einen Prämien-Wettbewerb zwischen den Kassen – ohne diesen jedoch “den Schwarzen Peter zuschieben zu wollen”. Selbstkritisch nahm er auch seinen Berufsstand nicht aus: “Während in Schweden ein Arzt 19 Minuten Zeit hat für ein (bezahltes) Patientengespräch sind es in Deutschland nur 8 Minuten. Da werden viel zu oft und zu schnell kostenintensive Überschreibungen ausgestellt, anstatt sich eben über die 8 Minuten hinaus mal mit dem Patienten intensiver zu befassen”, so Dr. Bosse, dessen guter Ruf als Arzt ihm bekanntermaßen stets eine volle Praxis beschert – doch nicht nur von Patienten: “Heute war eine Pharmavertreterin bei mir, die ein neues teures Blutgerinnungsmittel anpries, das nach Operationen, wie dem Einsetzen eines Stents, 20% weniger Komplikationen verspricht. Ich sagte zu ihr: Wenn diese Patienten drei bis viermal die Woche eine Stunde wandern würden, hätten wir 50% weniger Komplikationen”, wies Dr. Bosse auch auf die Selbstverantwortung der Patienten hin. Die Gäste der Veranstaltung stimmten abschließend Siegfried Siegel zu, als dieser für das Konzept der SPD warb und sagte, dass das Ideal für die Sozialdemokraten die Aussage ist: “Wenn Du krank bist, wirst Du nicht arm – und wenn Du arm bist, wirst Du nicht krank”.

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