Brisante Diskussion: Entweder sparen oder Gewerbesteuer erhöhen

SPD-Montagsgespräch zum Haushalt 2012 lockt viele Bürger in die Galerie im Ersten Stock

„Die improvisierten Veranstaltungen sind doch die besten“, befand Rainer Schulze, während er einige Stühle in die Galerie im Ersten Stock trug. Kurz zuvor war das „Altwernigeröder Kartoffelhaus“ als geplanter Veranstaltungsort für das Montagsgespräch der SPD überraschend geplatzt. Und so stand die Gruppe aus rund 20 interessierten Bürgern und SPD-Mitgliedern vor verschlossener Tür in der Marktstraße. „Da ist es doch ein glücklicher Umstand, dass momentan keine Ausstellung in der Galerie stattfindet“, so der Buchhändler.
Thema der Runde waren die Finanzen der Stadt für dieses Jahr, steht doch möglicherweise eine Gewerbesteuererhöhung um 40 Hebesatzpunkte auf 440 Prozent an. Schadet dies Wernigerode als Wirtschaftsstandort? Oder ist die Erhöhung notwendig, um die geplanten Investitionen zu finanzieren?
Kevin Müller, Mitglied des Rechnungs- und Finanzprüfungsausschusses, hatte eine Präsentation zu der Entwicklung der vergangenen Jahre und einen Ausblick für 2012 vorbereitet. Stand seiner Zahlen war der 1. Dezember 2011.
So erfuhren die Gäste, dass den Kommunen in Sachsen-Anhalt durch das Finanzausgleichsgesetz seit 1995 ungefähr 0,4 Milliarden Euro weniger zugestanden werden. „65 Prozent der Kommunen können ihren Haushalt dadurch nicht mehr ausgleichen“, so Müller. „Wernigerode gehört zu den wenigen Gemeinden mit einem ausgeglichenen Haushalt.“
Laut Auskunft des Kämmerers Frank Hulzer hat Wernigerode im vergangenen Jahr rund 73,26 Millionen Euro mit Steuern, Gebühren und Entgelten eingenommen. Diese Summe entspricht exakt den Ausgaben, die unter anderem für das Personal und für Bauvorhaben aufgewendet wurden.
2012 stehen erneut diverse Projekte an. Daraus ergeben sich Ausgaben, die nicht durch Einnahmen gedeckt werden können. Der Turbokreisel für 600 000 Euro, die Ortsentwicklung in Schierke für 4,15 Millionen Euro oder auch die Fußgängerbrücke in Silstedt für 120000 Euro sind nur einige Posten, die hier zu Buche schlagen.
Ein Großteil werde zwar aus Fördertöpfen bezahlt. Trotzdem: Während es im vergangenen Jahr nicht notwendig war, einen Kredit aufzunehmen, wird dies für 2012 unumgänglich. Knapp 5 Millionen Euro müsse sich die Stadtverwaltung für die geplanten Investitionen leihen, so die aktuelle Entwurfszahl laut Stadtkämmerer Frank Hulzer. Und ein Darlehen gibt es nur, wenn die Rückzahlung mittelfristig gesichert werden kann.
„Entweder wir senken die Ausgaben oder erhöhen die Einnahmen“, so Kevin Müller. Nicht nur die Stadträte, auch die Wernige-röder selbst müssten überlegen, an welchen Stellen konkret gespart werden kann.
Eine Möglichkeit zur Absicherung des Darlehens könnte die Anhebung der Gewerbesteuer sein. „Diese Erhöhung wird niemanden umbringen“, zeigte sich Rainer Schulze fest überzeugt.
Allerdings könne in Verhandlungen, die die Fraktionsvorsitzenden mit Oberbürgermeister Peter Gaffert demnächst führen, ein Kompromiss ausgehandelt werden. So sei es auch möglich, die Gewerbesteuer statt für fünf nur für drei oder ein Jahr anzuheben. Darüber wird auch in der nächsten Sitzung des Finanz- und Rechnungsprüfungsausschusses am Donnerstag, 19. Januar, diskutiert, bevor der Stadtrat am 16. Februar eine Entscheidung fällen könnte
Die Alternative zur Steuererhöhung wäre, die Ausgaben zu senken. In einem Punkt waren sich die Anwesenden jedoch einig: Die Personalkosten, die derzeit mit ungefähr 45 Prozent den Löwenanteil der Kosten verursachen, können kaum noch verringert werden. „1990 hatte die Stadt noch 1000 Stellen“, so Robert Marhold, der langjährig den Vorsitz im Finanzausschuss inne hatte. „Mittlerweile sind es noch 513,1 Stellen. Ein weiterer Abbau ist nicht möglich.“
Doch wo sonst sparen? Weiche Standortfaktoren wie das Kultur-, Bildungsangebot und Freizeitmöglichkeiten sollten nach Meinung von Robert Marhold nicht durch Einsparungen angegriffen werden. „Viele treffen wegen genau dieser Dinge die Ansiedlungsentscheidung.“
Stefan Krüger, Dozent an der Hochschule Harz, warf ein, dass die Stadt ein exzellentes Kulturleben habe, das nicht nur auf den Ausgaben der Stadtverwaltung beruhe, sondern vor allem durch die Initiative engagierter Bürger zustande komme. „Ohne das Engagement der Wernigeröder sagen all diese Zahlen gar nichts aus“, sagte er anerkennend.

MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DER “HARZER VOLKSSTIMME”

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