Leserbrief zur Diskussion um die Eurokrise

Die Diskussion um die Bewältigung der Eurokrise fordert mich zu einem weiteren Beitrag heraus, weil einige Kritiker der Beschlüsse des Bundestages sich in einer Weise äußern, dass man sich nur wundern kann.

Zunächst: Ich unterstütze nachdrücklich die Äußerung der Bundeskanzlerin, dass mit einem Scheitern des Euro auch ein Scheitern der europäischen Integration möglich wird. Denn eine Lockerung der vielfältigen Verflechtungen fördert wieder nationale Egoismen, und mit denen hat Europa und insbesondere Deutschland nun wirklich genug schlechte Erfahrungen gemacht. Atemberaubend ist die Behauptung von Herrn Hammann (Volksstimme vom 22.05.10), dass die europäische Idee von  den Bürgern nicht gewollt sei. Da erhebt er seine persönliche Meinung zur Mehrheitsmeinung. Konrad Adenauer, Willy Brandt, die Sozialistische Internationale, die Paneuropa-Bewegung, die Parlamente, die die Europäischen Verträge ratifiziert haben, – um nur einige wenige  Beispiele zu nennen – sollen keinen Bürgerwillen vertreten haben ? Da liegt er wirklich sehr daneben. Ich kann mich nur jeden Tag neu darüber freuen, dass das über Jahrhunderte erträumte  friedliche Zusammenleben unterschiedlicher europäischer Völker schon viel eher als der Euro Wirklichkeit geworden ist. Wer einen DDR-Grenzbeamten erlebt hat, der weiß es zu schätzen, ohne Grenzkontrollen und Geldwechsel ins Ausland fahren zu können. Die zahlreichen Versuche, Europa zwangsweise und durch Dominanz einzelner Staaten zu einigen, hat Millionen Menschen das Leben gekostet.

Und wirtschaftlich: Auch international gilt das von Ludwig Erhard formulierte Ziel der Sozialen Marktwirtschaft: „Wohlstand für alle“. Es ist friedens- und für das exportabhängige Deutschland existenzgefährdend, wenn einzelne Staaten verarmen oder insolvent werden. Und woher nehmen viele Leute diese Hochnäsigkeit gegenüber Griechenland oder anderen europäischen Staaten, wenn sich die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen  in Deutschland  der 2-Billionen-Grenze nähern ? Schließlich: In der offenen Weltwirtschaft sind Europas Wettbewerber die USA, China, Japan, mehr und mehr Lateinamerika und Russland. Da wollen wir auf klein-klein machen?

Schließlich erschreckt mich der Egoismus, mit dem manche Briefschreiber auftreten. Allein das eigene Ergehen soll entscheidend sein, das anderer Menschen in nah und fern ist gleichgültig. Solidarität  ist keine Einbahnstraße. Der wirtschaftliche Wiederaufbau Ostdeutschlands nach dem Konkurs des real existierenden Sozialismus, die Bewältigung der Elbe-Flutkatastrophe 2002 seien als markante Beispiele genannt, bei denen ohne Solidarität die Folgen furchtbar gewesen wären. Und jetzt wo unsere Hilfsbereitschaft gefordert wird, da schlagen wir uns in die Büsche? Echte Freundschaft und friedliches Zusammenleben bewähren sich bekanntlich in schwierigen Situationen, und nicht nur in guten Zeiten. Alles Andere ist Rosinen-Pickerei. Natürlich müssen alle – also auch Griechenland, Spanien, Portugal u.a. – ihre „Schularbeiten“ leisten. Und: den aus der Krise Gewinn ziehenden Spekulanten müssen schnell und wirksam Zügel angelegt und ein verbindlicher finanzieller Beitrag zum Abbau von Schulden auferlegt werden.

Ludwig Hoffmann

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