02. Oktober 1890: Die Sozialdemokraten feiern das Ende des Sozialistengesetzes im „Fürst Bismarck“
Dass die Sozialdemokraten durchaus auch hintersinnig (z. B. das Ende des von Bismarck initiierten „Sozialistengesetzes“) feiern konnten, beweist die Meldung im „Wernigeröder Intelligenzblatt“ vom 2. Oktober 1890: Das Erlöschen des Sozialistengesetzes werden die hiesigen Sozialdemokraten heute abend im Saal der Frau Pleiser, Hasserode, (Fürst Bismarck) durch eine Volksversammlung feiern, in welcher Herr W. Wenzel aus Halberstadt als Festredner auftreten wird.
03. Mai 1891: zum ersten Mal wird der 1. Mai offiziell gefeiert: auf Papenannecken, einer Wiese
Nachdem im Jahr 1890 die erste Maifeier kurzfristig ausfallen musste, weil das vorgesehene Lokal sich nicht in der Lage sah, die Versammlung auszurichten, war es offensichtlich erneut nicht möglich, ein Lokal für die Feier zu finden. So wurde durch „das Comitè“ dieses Mal per Anzeige darauf aufmerksam gemacht, dass das grosse Arbeiter-Familienfest verbunden mit Unterhaltungsmusik und Gesangsvorträgen, unter gefälliger Mitwirkung des Gesangs-Vereins Liederbund am Sonntag, den 3. d. Mts., von nachmittags 3 ½ Uhr an auf Papenanneken stattfinden wird. Für kochendes Wasser zum Kaffeekochen wird Sorge getragen werden. Zutritt Jedermann gestattet. Um zahlreiche Beteiligung bittet das Comitè.
Offensichtlich hatte im Vorfeld das „Wernigeröder Intelligenzblatt“ vor der Veranstaltung mit unhaltbaren Behauptungen gewarnt. Jedenfalls sah sich „das Comitè“ in der Anzeige, die im „Wernigeröder Tageblatt“ am 1. Mai abgedruckt wurde, genötigt, auf folgendes hinzuweisen: Eine Beteiligung von außerhalb, wie solche vom hiesigen „Intelligenzblatt“ in Aussicht gestellt wurde, findet nicht statt, ebenso wenig werden Ansprachen gehalten, oder Resolutionsabstimmungen vorgenommen werden.In der gleichen Zeitung am selben Tag sah sich auch Albert Bartels unter der Überschrift „Berichtigung“ genötigt, eine Gegendarstellung zu einem Bericht im „Wernigeröder Intelligenzblatt“ als Anzeige zu veröffentlichen: Das „Wernig. Int.-Blatt“ bringt in seiner letzten Nummer einen Bericht über das voraussichtliche Programm der hiesigen Maifeier. Wir erklären hiermit, daß das ganze Programm, wie es in dem Blatte entwickelt ist, der Wahrheit nicht entspricht. Es werden weder Ansprachen gehalten, noch über eine Resolution abgestimmt werden, ebenso unwahr ist es, daß von außerhalb (Blankenburg) sich Festteilnehmer einfinden werden, nicht einmal der Beginn des Festes ist richtig angegeben. Der ganze Artikel ist also weiter nichts, als pure Dichtung, ein reines Fantasieprodukt des Verfassers, dessen Erfindungstalent allerdings bewundert werden muß. Und der Zweck des Artikels? Nun, der ist so durchsichtig, daß ein näheres eingehen darauf überflüssig erscheint. Im Auftrage Albert Bartels.
Zur Maifeier selbst schrieb das „Wernigeröder Tageblatt“ am 4. Mai: Die diesjährige Maifeier der Arbeiter unserer Stadt kann man mit vollstem Recht als eine nach allen Seiten hin befriedigende und gelungene bezeichnen. Der Festort war der idyllisch gelegene Waldplatz „Papenanneken“, woselbst sich gegen 4 Uhr nachmittags eine sehr zahlreiche Volksmenge versammelt, welche, aus Handwerkern und Arbeitern aller Berufe mit ihren Familien bestehend, den ganzen Platz vollständig füllte. Bald hatten sich überall plaudernde und scherzende Gruppen gebildet, welche sich teils im Walde gelagert hatten und teils den engeren Festplatz besetzt hielten. Für die leiblichen Bedürfnisse der Anwesenden war ausreichend Sorge getragen; während für die kaffeetrinkenden Hausmütter und deren Kinder kochendes Wasser zur Bereitung des edlen Mokka in Menge vorhanden war, belagerte das stärkere Geschlecht das improvisierte Buffet und leistete quantitativ im Trinken des Lagerbieres aus der Brauerei Schreyer Außerordentliches (es sollen zwei Wagenladungen vollständig „alle“ geworden sein). Selbstverständlich war auch Musik anwesend und gefielen insbesondere allgemein die einzelnen gesanglichen Vorträge des Vereins „Liederbund“. So verstrich denn unter Plaudern, Scherzen, Gesang und – trinken der Nachmittag, welcher sich auch durch prächtiges Frühlingswetter auszeichnete, bis die Feier nach der 7. Abendstunde ihren Abschluß fand, ohne daß irgendwie ein von gewissen ängstlichen Gemütern befürchteter „Zwischenfall“ vorgekommen wäre und die anwesenden sechs Wächter des Gesetzes hätten einschreiten müssen. – Alles in allem genommen muß jeder Unbefangene die Feier als eine in allen Teilen gelungene bezeichnen, fern von jedem politischen Gepräge bot sich thatsächlich das Bild eines großen Familienfestes und zeigte auf’s neue, daß in den Arbeiterkreisen unserer Stadt ein durchaus ruhiger und friedlicher Sinn herrscht.Auch wenn diese Maifeier offiziell unter der Überschrift „Familienfest“ firmierte, war es doch die erste gelungene von der sozialdemokratischen Arbeiterschaft ausgerichtete Maifeier in der Stadt Wernigerode.
20. Dezember 1891: Gründung des Wernigeröder Volksbildungsverein
Am 20. Dezember 1891 wurde der „Wernigeröder Volksbildungsverein“ gegründet. Der Vorstand bestand aus: Vorsitzender: Albert Bartels, Kassierer: Friedrich Gerecke, Schriftführer: Carl Krüger. Dieser Verein war der Vorläufer des „Volksgartenvereins“, aus dem die Parteiortsgruppe hervorging.
Das eingereichte Statut war recht kurz verfasst, beschrieb aber trotzdem prägnant die Ziele des Vereins:
Statut des Wernigeröder Volksbildungsvereins
§ 1 Der Verein beabsichtigt das Wissen seiner Mitglieder durch geeignete volksthümlich gehaltene und belehrende Vorträge, Leseabende, Errichtung einer Bibliothek etc. zu erweitern und die Geselligkeit durch Abhaltung von Vereinsvergnügungen zu pflegen.
§ 2 Mitglied kann jeder unbescholtene Arbeiter jeden Berufes werden.
§ 3 Der Vorstand besteht aus 3 Personen: Vorsitzende, Kassierer und Schrift-Führer; derselbe wird alljährlich durch Stimmzettel gewählt.
§ 4 Der vierteljährlich zu zahlende Beitrag beträgt 10 Pf.
01. Mai 1893: Grundsteinlegung zum Volksgarten
Wie in den Jahren zuvor konnten die Wernigeröder Sozialdemokraten keinen hiesigen Wirt dafür gewinnen, die Maifeier auszurichten. Jedoch: Das Volkshaus, der „Volksgarten“ Ecke Feldstraße/Schmatzfelder Straße, war in seinen Grundfesten fertig gestellt. Den 1. Mai 1893 feierte man deshalb dort und verband dies mit der Grundsteinlegung am Abend. In den Grundstein wurde ein Exemplar des „Vorwärts“, ein Exemplar der Maifeierzeitung, die Mai-Nummer des „Wahren Jacob“, ein Exemplar der Schrift „Die Zukunftsdebatten im Deutschen Reichstag“, und eine kurze von Albert Bartels verfasste Abhandlung über die Entwicklung der Organisation der Arbeiter vor Ort gesteckt.
20. August 1893: Einweihung des Volksgartens
Wernigerode hat viele markante Gebäude: Ob das Gadenstaedtsche, das Krummel, das kleinste oder das Rathaus: Diese und viele andere Häuser finden sich in den Fotoalben unzähliger Urlauber wieder. Ungeachtet von Touristen und auch den meisten Einheimischen unbekannt wird am 20. August ein Gebäude 115 Jahre alt, das trotz seines vergleichsweise geringen Alters einen beachtlichen historischen Hintergrund mit europäischer Bedeutung hat: Der Volksgarten. Das Haus auf dem Hof Ecke Feldstraße/Schmatzfelder Straße war das erste sogenannte „Volkshaus“ der deutschen Sozialdemokratie.
Nach dem Ende des „Sozialistengesetzes“ 1890 begann im Deutschen Reich von den Sozialdemokraten die Planung für die Schaffung von „Volkshäusern“, „Volksparken“ und Volksheimen“. Im „Volkshaus“ sollten die sozialdemokratischen Organisationen einen gesicherten Ort bekommen, dort sollten Versammlungen stattfinden, eine Gastronomie sollte für preiswertes Essen und Trinken sorgen. Nach Christoph Lehmann (Buch: „Die Zinnen der Partei“, Vorwärts-Buchverlag, 2005) stellte das „Maison du Peuple“, das 1895 von der Sozialdemokratischen Partei Belgiens errichtet wurde, das „Muster für die in den folgenden Jahren … gebauten Volkshäuser“ dar. Dass in Wernigerode bereits zwei Jahre zuvor ein solches Haus der Sozialdemokratie eingeweiht wurde, war auf Nachfrage auch ihm, der zur Zeit Geschäftsführer der SPD-eigenen Parteihäuser ist, bisher nicht bekannt.
Die Partei fand auch für die öffentlichen Versammlungen zur Reichstagswahl 1893 keinen Versammlungsraum. Trotzdem erbrachten die Wahlen einen Erfolg: Der Kandidat der Sozialdemokratie, Robert Dahlen aus Halberstadt, zog in die Stichwahl am 24. Juni. Allerdings musste Robert Dahlen seine Wahlversammlung im Rohbau des „Volksgartens“ abhalten.
Das „Wernigeröder Tageblatt“ schrieb dazu am 23. Juni: Eine öffentliche Wählerversammlung war für gestern Abend seitens des sozialdemokratischen Wahlkomitees nach dem ehemaligen Schmelzer´schen Sägemühlen-Grundstück einberufen worden. Das Lokal, wenn auch erst im Rohbau vollendet, machte einen recht guten Eindruck und gewährte wohl 500-600 Personen Raum. Herr Maler Bartels eröffnete die Versammlung um 8 1/2 Uhr und hieß die Erschienenen im neuen Lokal willkommen; er führte aus, daß den Sozialdemokraten seitens der hiesigen Lokalinhaber ein Saal zur Abhaltung von Versammlungen seit längerer Zeit verweigert worden sei; hierdurch sein man veranlaßt worden, ein Grundstück zu erwerben und auf diesem das eigene Versammlungslokal zu erbauen; er hoffe, daß sich die Genossen in demselben recht häufig zusammenfinden und recht wohl fühlen möchten und schloß mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie aller Länder.
Am 20. August war der Bau des „Volksgarten“ fertig gestellt. Das Lokal wurde von der Sozialdemokratischen Partei gebaut und war deren Eigentum. Der „Volksgarten“ war nicht gewerkschaftlicher Besitz. Die Einweihungsfeier wurde unter dem Ehrenpräsidium des 78 Jahre alten Karl Auerswald, eines sozialdemokratischen Veterans aus Hasserode, eröffnet. Die Versammlung war nicht öffentlich. Karten konnte man erwerben bei den sozialdemokratischen Aktivisten Wilhelm Niewerth, Hermann Spankow, Friedrich Schildknecht und Albert Bartels. Robert Dahlen aus Halberstadt hielt die eigentliche Ansprache, nach einleitenden Worten von Albert Bartels, der an die anfänglichen Schwierigkeiten beim Bau erinnerte. Dahlen sagte, dass Wernigerode als kleine Stadt als erste ein aus Mittel der Parteiangehörigen errichtetes Volkshaus haben. Der Saal fasste 300 Personen, der Garten mehr als 1000 Personen. Die Verwaltung des Wirtschaftsbetriebs lag in der Hand eines gebildeten Vereins, des „Verein Arbeitercasino Wernigerode a. H.“.
03. März 1894: Gründung des „Sozialdemokratischen Diskutierklubs im Volksgarten“
Am 3. März 1894 bildete sich der „Sozialdemokratische Diskutierklub im Volksgarten“. Dies wurde der Polizeibehörde mit folgendem Schreiben mitgeteilt:
Wernigerode den 4/3. 94
An die Polizeiverwaltung Wernigerode
Ueberreiche unter Nachstehendem, Statut und Mitglieder-Verzeichniß des am 3 ten des Mts. im Volksgarten gegründeten sozialdemokratischen Diskutir Club.
§ 1. Derselbe stellt sich die Aufgabe, das politische Wissen seiner Mitglieder zu erweitern, durch Abhaltung von öffentlichen Versammlungen und Diskussionsabenden in welchen politische Fragen erläutert werden sollen.
§ 2. Mitglied kann jede unbescholtene Person werden, sofern dieselbe in keinem Lehrverhältniß steht.
§ 3. Der monatliche Beitrag kostet Mk 0,10. Eintrittsgeld wird nicht erhoben.
§ 4. Versammlungen finden jeden Sonnabend statt im Volksgarten und beginnen Abends.
§ 5. Der Vorstand besteht aus einer Person als Geschäftsleiter und wird alljährlich gewählt.
Mitglieder – Verzeichniß
a.) Vorstand A. Hecht Geschäftsleiter
b.) Mitglieder
1) Spankow Hermann Wernigerode
2) Bode Andreas Wernigerode
3) Bartels Albert Wernigerode
4) Richter Gustav Wernigerode
5) Niewerth Wilhelm Wernigerode
6) Hahne Gottlieb Wernigerode
7) Schildknecht Fritz Wernigerode
8) Hahne Heinrich Wernigerode
9) Tallig Karl Wernigerode
10) Auerswald Karl Hasserode
11) Oberbeck Christian Hasserode
12) Schünemann Zacharias Hasserode
Unter Hinweis auf das Statut theile ich ergebens mit, daß unsere Versammlungsanzeige erst dann erfolgt, wenn die Versammlungsabende verlegt werden.
Der Geschäftsleiter
A. Hecht
Dieser Diskutierklub war die Keimzelle des späteren Ortsvereins. Von den elf (ersten) Mitgliedern des Klubs gehörten acht zu den Gründern des Ortsvereins im Jahr 1900.
Die Polizeibehörde bestätigte am 5.3. die Anmeldung des Diskutierklubs, verwechselte dabei die Abkürzung des Vornamens des Geschäftsführers (H. statt A.) und legte gleich erst einmal neue Akten an:
hier
Wir bescheinigen hierdurch den Empfang der Anzeige über die Gründung des sozialdemokratischen Diskutir – Klubs, der Statuten und des Mitgliederverzeichnisses desselben, sowie die Anzeige über die an jedem Sonnabend abzuhaltende Versammlung.
(Vermerk – R. M.)
Neue Acten über den sozialdemokratischen Diskutir – Klub.
15. Juni 1984: Arbeiter-Turn-Verein „Vorwärts“ gründet sich
Solche Organisationen im Umfeld der Sozialdemokratischen Partei banden das Milieu an die Sozialdemokratie und stärkten letztlich den Zusammenhalt unter den sozialdemokratisch denkenden Leuten. Dass das „Vereinslokal“ des Turnvereins der „Volksgarten“ war, war kein Zufall. In den kommenden Jahren war der Volksgarten Mittelpunkt der Wernigeröder Arbeiterbewegung und Ort unzähliger Veranstaltungen. Wie das aussah, zeigt folgendes Beispiel:
Statut des Arbeiter Turn Vereins „Vorwärts“
zu Wernigerode
Gegründet am 15. Juni 1894
Zweck des Vereins
§ 1. Zweck des Vereins ist, seine Mitglieder zu körperlich und geistig kräftigen Männern heranzubilden und unter sich den echt brüderlichen und turnerischen Geist und Sinn zu pflegen. Diese Zwecke sucht der Verein zu erreichen: Durch Turnübungen, Vergnügungen und geselligen Zusammenkünften.
Mitgliedschaft, Beitrag
§ 2. Der Verein unterscheidet active und passive Mitglieder. Mitglied des Vereins kann jeder werden, welcher das 18. Lebensjahr zurückgeleget und keinerlei ehrlose Handlungen begangen. Das Einschreibegeld beträgt 75 Pf. der monatliche Beitrag 20 Pf. Vom Einschreibegeld ist entbunden, wer bisher Mitglied eines zum Deutschen Arbeiterbunde gehörenden Vereines war und seine Mitgliedschaft nachzuweisen vermag.
§ 3. Die Anmeldung zum Verein geschieht beim Vorsitzenden und hat derselbe, nachdem der Angemeldete 3 Turnabende besucht, die Ballotage (altes Wort für Abstimmung – R. M.) über denselben zu veranlassen.
§ 4. Der Vorstand besteht aus 4 Personen und wird alljährlich durch Stimmzettel gewählt. Wiederwahl ist zulässig. Absolute Mayorität entscheidet. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.
Der Vorstand besteht aus:
1. Dem Vorsitzenden
2. Dem Kassenwart
3. Dem Schriftwart und
4. Dem Turnwart.
Vorsitzender.
Der Vorsitzende leitet die Vereinten in Vorstandsversammlungen, er hat den Verein nach innen und außen zu vertreten, ist verpflichtet, alle Versammlungen einzuberufen und weist Zahlungen an bis zur Höhe von 10 Mk.
Kassenwart.
Der Kassenwart hat die Beiträge einzuziehen und auf Anweisung des Vorsitzenden Zahlung zu leisten. Vierteljährlich hat er der Versammlung eine Abrechnung zu unterbreiten, welche durch zwei von der Versammlung gewählte Revisoren geprüft werden muß.
Schriftwart.
Der Schriftwart übernimmt im Allgemeinen die schriftlichen Arbeiten und hat in den Versammlungen das Protokoll zu führen.
Turnwart.
Der Turnwart hat die Turnübungen zu leiten und führt die Aufsicht über die Geräte und Utensilien des Vereins.
Austritt.
§ 5. Der Austritt aus dem Verein steht jederzeit frei, die Beitragspflicht erstreckt sich in diesem Falle bis auf den laufenden Monat.
Ausschluß
§ 6. Aus dem Verein kann ausgeschlossen werden:
Wer länger als 3 Monate mit seinen Beiträgen trotz schriftlicher Mahnung des Vorstandes im Rückstande bleibt.
Den Anordnungen des Vorstandes nicht nachkommt.
Wer durch sein Auftreten und Verhalten den Interessen des Vereins zuwider handelt. Nur die Versammlung ist berechtigt über den Ausschluß eines Mitgliedes zu beschließen.
Turnstunden.
§ 7. Allwöchentlich findet ein Turnabend statt. Mitglieder, welche am Erscheinen verhindert, haben sich beim Turnwart zu entschuldigen.
Vereinslokal.
§ 8. Als Vereinslokal ist der Volksgarten bestimmt. Die für Benutzung derselben zu zahlende Miete wird alljährlich mit dem Verwalter des Lokals festgesetzt.
Auflösung
§ 9. Der Verein kann nur aufgelöst werden, wenn die Mitgliederzahl unter 8 sinkt. Das vorhandene Vereinsvermögen und die Geräthe und Utensilien hat die Verwaltung des Volksgartens in Aufbewahrung zu nehmen, bis sich ein neuer Arbeiter Turn Verein auf Grund dieses Statuts bildet. Sollte dieses nach Verlauf von mindestens fünf Jahren nicht geschehen, so hat die Verwaltung des Volksgartens freies Verfügungsrecht über das bisherige Vereinsvermögen.
Turn Ordnung
1.Jeder Turner hat den Anordnungen des Turnwarts und der Vorturner Folge zu leisten.
2.Nur die Uebung, welche der Vorturner vorgeturnt, darf gemacht, mindestens muß sie aber versucht werden.
3.Während des Turnens darf nicht geraucht werden.
4.Nur Mitglieder und von diesen Eingeführte dürfen den Turnplatz betreten.
5.Geräthe, welche vorsätzlich oder muthwillig beschädigt, müssen ersetzt werden.
6.Die Turnstunden finden jeden Sonnabend Abend 8 Uhr im Volksgarten statt.
Wernigerode, den 15. Juni 1894
Der Vorstand
29. November 1897: Wahl des ersten sozialdemokratischen Stadtverordneten Albert Bartels
Die hiesige Sozialdemokratie beteiligte sich erstmals an den Stadtverordnetenwahlen. Bei den Wahlen am 8.11.1897 erhielt der Kandidat Albert Bartels 110 Stimmen in der Dritten Wahlabteilung. In der nötigen Stichwahl erhielt Bartels am 29.11.1897 175 Stimmen und wurde damit als erster sozialdemokratischer Stadtverordneter gewählt.In einer Anzeige, die ohne Namen zu nennen von „Mehreren Bürgern“ unterzeichnet wurde, hieß es am 28.11.1897 im „Wernigeröder Tageblatt“: Mitbürger! Wenn Sie wollen, daß bei der Stadtverordneten-Wahl am nächsten Montag die richtigen Vertreter gewählt werden, so geben Sie Ihre Stimme solchen Bürgern, die unabhängig dastehen und sich von keiner Seite beeinflussen lassen werden, solchen Bürgern, die stets den Fortschritt unserer städtischen Verhältnisse im Auge haben werden. Wählen Sie daher Mann für Mann: Malermeister Albert Bartels, Rentier Wilhelm Mensing und als Ersatzmann Sattlermeister Ernst Springer.Dass Albert Bartels damals ein bekannter Sozialdemokrat war, dürfte vielen – trotz des neutralen Charakters der Anzeige – durchaus bewusst gewesen sein. Die anderen beiden Kandidaten gehörten hingegen nicht zur Sozialdemokratie.
November 1900: Gründung des sozialdemokratischen Wahlvereins in Wernigerode
Mit Datum 10. November 1900 schrieb Albert Bartels:
An die Polizeiverwaltung Wernigerode: Sonntag Nachmittag 5 ½ Uhr findet im Volksgarten eine öffentliche Versammlung der Zahlstelle Wernigerode des Sozialdemokratischen Wahlvereins für Halberstadt, Oschersleben, Wernigerode statt.
Am 11.11.1900 traten die Parteigenossen von Wernigerode im „Volksgarten“ zusammen, um dem neuen Statut Rechnung zu tragen. Einstimmig wurde beschlossen: Aufgrund des Beschlusses des Mainzer Parteitages vom 19. – 21. September 1900 und der Kreiskonferenz für den Wahlkreis Oschersleben-Halberstadt-Wernigerode vom 23. September 1900 in Halberstadt und des Beschlusses der Statutenberatungskommission, wird heute gemäß der in der Volkszeitung, Nr. 6 vom 7. Oktober veröffentlichten Satzung für den sozialdemokratischen Wahlverein des Kreises Oschersleben-Halberstadt-Wernigerode in Stadt Wernigerode eine selbstständige Filiale gegründet.
Die Leitung übernahmen Albert Bartels, Karl Fricke und Karl Husung. Weiterhin sind die Namen folgender Gründungsmitglieder überliefert: Karl Auerswald, Wilhelm Böhme, Karl Brämer, Karl Fischer, Ernst Foltis, Friedrich Gerecke, Karl Gerloff, Friedrich Grimpe, Heinrich Groß, Gottlieb Hahne, August Herold, Ludwig Herzer, Karl Hohmann, Karl Jonas, Karl Krüger, Ernst Kurzberg, August Mayhack, Wilhelm Niewerth, Christian Oberbeck, Gustav Richter, Albert Riemenschneider, Friedrich Schildknecht, Ferdinand Schubbert und Hermann Spankow