Ich war und bin wirklich höchst selten mit Edmund Stoiber einer Meinung (gewesen): In einem aber muss ich ihm zustimmen: Jetzt übernehmen die “Leichtmatrosen” die Macht in Deutschland. Außenminister wird mit Guido Westerwelle jemand, der ausgerechnet mit Fremdsprachen auf Kriegsfuß steht (das Internetportal Youtube enthält gleichermaßen köstliche wie peinliche Beispiele). Gesundheitsminister wird ein Arzt namens Philipp Rößler (FDP) – gespannt darf man sein, zu wessen Gunsten er im Spannungsfeld Patient-Arzt entscheidet. Ganz verrückt ist die Besetzung des Entwicklungshilfeministeriums: Ausgerechnet der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der keine Gelegenheit ausließ um zu verkünden, dass das Entwicklungshilfeministerium abgeschafft gehört, wird dessen neuer Minister! Finanzminister und damit Nachfolger des Fachmanns Peer Steinbrück (SPD) wird mit Wolfgang Schäuble jemand, der – wie die Untersuchungen in der CDU-Spendenaffäre an den Tag brachten – noch nicht mal 100.000 DM korrekt entgegennehmen und verbuchen kann. Der bisherige Verteidigungsminister Jung, der in den letzten vier Jahren überhaupt nicht auffiel, soll nun das größte Ministerium, nämlich das für Arbeit und Soziales leiten und Nachfolger von Olaf Scholz, der z.B. die Rentensicherung durchsetzte, werden. Wenn er dort genauso “unauffällig” agiert, wie in seinem bisherigen Amt, kann man sich den Stellenwert seines Ministeriums in der neuen Regierung an den fünf Fingern abzählen. Ursula von der Leyden bleibt zwar Familienministerin, muss nun aber ohne die SPD, mit deren Ideen (Erziehungsgeld, vorschulische Bildung, gesetzlicher Anspruch auf einen Kita-Platz, usw.) sie sich selbst recht ungeniert schmückt, eigene Akzente setzen. Einen Zuständigen für die Neuen Bundesländer sucht man bislang vergebens: Kein Wunder: Ein solches Amt ausgerechnet bei dem Bayern Peter Ramsauer (CSU) wie bisher im Bereich des Verkehrs- und Aufbau Ost-Ministeriums anzusiedeln, sieht selbst Kanzlerin Merkel als Fehlbesetzung. “Grandios” auch die Besetzung des Umweltministeriums: Ausgerechnet Norbert Röttgen, der vor kurzem noch Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) werden wollte, soll nun die Natur und die Umwelt vor den Zugriffen der Industrieinteressen schützen. In diesem Fall passt in der Tat das Bild vom Bock, der zum Gärtner gemacht wurde. Dass ausgerechnet mit Rainer Brüderle (FDP) nunmehr die gescheiterte Wirtschaftspolitik aus der Kohl-Ära auch personell fortgesetzt wird, ist da nur noch eine Marginalie.
Ralf Mattern