Über den Vorschlag der Bündnisgrünen, das Wahlalter auf 14 Jahre abzusenken, kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Der jedoch von den Kritikern dieses Vorschlags hauptsächlich vorgetragene Ablehnungsgrund, dass einem jungen Menschen in diesem Alter die politische Reife und Bildung fehlen würde, ist zu hinterfragen. Wie steht es denn mit der politischen Reife und Bildung der jetzigen Wahlberechtigten über 18 Jahre? Selbst auf dieser Leserbriefseite bekommt man immer wieder Beispiele präsentiert, die am politischen Allgemeinwissen der Autoren zweifeln lassen – und dies vor dem Hintergrund, dass hier Menschen zu Wort kommen, von denen man annehmen sollte, dass sie sich – im Gegensatz zu vielen anderen – zumindest ansatzweise zuvor mit der Politik beschäftigten, die sie in ihren Veröffentlichungen dann zumeist kritisieren. Da wird die Klimaerwärmung zur Weltverschwörungstheorie erklärt, da werden Neiddiskussionen geführt, ohne über den eigenen Tellerrand zu schauen, da werden die „schönen Seiten“ der Diktatur gefeiert, ohne zu reflektieren, dass bislang jede Diktatur in menschlichen Katastrophen endete, da wird der fröhlichen und globalen Politikerschelte gefrönt, usw. So gewinnt man oft genug den Eindruck, dass viele veröffentlichte Leserbriefe nicht im Wettstreit interessanter Argumente stehen, sondern lediglich von Rechthaberei, Ignoranz und Meckerei geprägt sind. Ob diese Eigenschaften allerdings Zeichen politischer Reife und Ausdruck eines politischen Allgemeinwissens sind, das dem der Jugendlichen überlegen ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Ralf Mattern, Wernigerode