Natürlich war die DDR „gut“: Sie war „gut“ für all diejenigen, die wie damals selbst heute noch das menschlich, ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich gescheiterte DDR-System mit religiöser Inbrunst verteidigen. Die DDR war „gut“ für all die, die sich den Luxus einer eigenen Meinung nicht gönnten oder eine solche zumindest nicht öffentlich äußerten. Die DDR war „gut“ für diejenigen, die genug abgestumpft waren, um die Umweltkatastrophen und den ruinösen Zerfall der Innenstädte übersehen zu können. Die DDR war „gut“ für diejenigen, die gern über ihr vorbestimmtes Leben von staatlichen Stellen entscheiden ließen. Die DDR war „gut“ für die, die über Bück- und begehrte Tauschwaren verfügen konnten und für die, die Dienstleistungen nur noch gegen Westgeld anboten. Die DDR war „gut“ für alle die, für die ein selbstbestimmtes Leben zu anstrengend war und die deshalb lieber nur funktionierten. Die DDR war ein Staat der Angepassten, der Resignierten, der Ängstlichen, der Eingeschüchterten, der Karrieristen, der Duckmäuser, der unpolitischen Nischensucher, der Mitläufer, der Unwissenden, der Funktionäre, der Spießer, der Berufsuniformierten, der Langeweiler und Kleingeister, die über alle, die nicht so wie sie waren, herfielen und sich das Maul zerrissen. . Die DDR war also „gut“, wenn man ein Untertan war oder sich freiwillig zumindest so verhielt. Das allerdings hatte die DDR mit dem Kaiserreich und dem „Dritten Reich“ gemein, denn auch nach dem Zerfall dieser Systeme gab es mehr als genug Leute, die ihr Untertanendasein als „gar nicht so schlimm“ empfanden. An etlichen Folgen leiden wir heute noch im Osten: Die geringe Wahlbeteiligung, das Desinteresse an Politik, Fremdenfeindlichkeit, geringes gesellschaftliches Engagement, Warten auf Entscheidungen oder auf Hilfe „von oben“, fehlendes Selbstbewusstsein, Rückzug ins allein seligmachende Private und: Eine geschichtsklitternde Ostalgie, die jegliches Verständnis für die Zusammenhänge, die zum Zusammenbruch der DDR führten, missen lässt.
Ralf Mattern, Wernigerode