Thema “Feuerwehr”
In den USA gelten Feuerwehrleute nicht erst, nachdem sie im Jahr 2001 unter größten Gefahren in den einstürzenden Türmen des World-Trade-Centers Tausenden das Leben retteten, als wahre Helden, denen epische Hollywood-Verfilmungen gewidmet sind. Die Wernigeröder freiwilligen Brandbekämpfer haben es da ungleich schwerer: Obwohl sie in der Vergangenheit stets ihre Zuverlässigkeit bewiesen, Feuer erfolgreich bekämpften, Tag und Nacht für die Allgemeinheit da sind, ihre Zeit und ihr Geld opfern und oft auch ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, scheinen die Einwohner der bunten Stadt ihren potenziellen Lebensrettern gegenüber unverständlich zurückhaltend. Dies gilt im besonderen Maße auch für die hiesigen Arbeitgeber: Während die zum feuerwehrpolitischen traditionellen Bürgerstammtisch der SPD eingeladene Industrie- und Handelskammer und die Kreishandwerkerschaft wenigstens mitteilten, dass sie im Moment keine im Hinblick auf die Problematik „Freistellung von der Arbeit für Feuerwehrleute“ aussagefähige Persönlichkeit haben, hielt der Arbeitgeberverband Nordharz nicht einmal eine Reaktion auf die Einladung für nötig. So konnte dann auch der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Rolf Harder nur knapp zwei Dutzend Gäste am Stammtisch begrüßen, die allerdings zwei Stunden lang durchaus kontrovers mit dem sehr gut vorbereiteten und kompetenten Staatssekretär im Innenministerium, Rüdiger Erben (SPD), diskutierten.
Manfred Neumann, selbst beruflich mit der Feuerwehr verbunden und Ideengeber für diesen Bürgerstammtisch, fand es dann auch „schade, dass die Arbeitgeber offensichtlich nicht so das Interesse für das Ehrenamt haben“. Die Bedeutung für ein eingespieltes Feuerwehr-Team unterstrich Rüdiger Erben am Beispiel der Brände auf den Kanaren: „Dort sollen zusammengewürfelte Leute Brände bekämpfen. Das funktioniert nicht richtig – wir wollen am traditionellen System der Freiwilligen Feuerwehren festhalten“, gab der Staatssekretär auch einen Ausblick für das im Herbst zu beschließende neue Leitbild für die Feuerwehren. Gleichwohl stellte er fest: „Wir brauchen mehr Kameradinnen und Kameraden und wir brauchen Jeden und Jede.“ Überlegungen, die Einwohnerzahl als Vorgabe für das Vorhandensein einer Feuerwehr vor Ort zu erhöhen, erteilte er eine Absage. „Beamten in meinem Haus, die so etwas andenken, habe ich in diesem Fall ein Denkverbot erteilt“, so Erben. Er verwies jedoch auch darauf, dass die Kommunen Träger – und damit verantwortlich – für den Brandschutz sind. Als ein schlechtes Beispiel nannte er die Gemeinde Wengelsdorf bei Leuna, die seit 16 Jahren keine Freiwillige Feuerwehr mehr habe – und dies bei rund 1000 Einwohnern – und dafür vom Steuerzahlerbund eine Auszeichnung erhielt. Das Land komme jedenfalls seiner finanziellen Verpflichtung nach, lenkte Erben den Blick auch auf den Ausbau der Feuerwehrausbildungsstätte Heyrothsberge und auf die Begleichung des Verdienstausfalles der Feuerwehrleute bei einem Einsatz, den das Land Sachsen-Anhalt als einziges Bundesland übernimmt.
Zur Zeit werden die Zuwendungsbescheide für 2008 erstellt – in einem Umfang von 3,5 Millionen Euro. Auf Nachfrage von Stadtrat Siegfried Siegel (SPD) sagte Rüdiger Erben, dass die Landkreise für die Jugendfeuerwehren 320.000 Euro erhalten. Dies begrüßte Stadtwehrleiter Waldemar Nehring, der aber auch Kritik übte: „Wegen der Zweckbindung dürfen von diesem Geld z.B. keine T-Shirts oder Basecapes für die Kinder- und Jugendfeuerwehren gekauft werden. Im Übrigen sollten gerade die Nachwuchsabteilungen auch pädagogisch unterstützt werden.“ Der Staatssekretär versprach, sich des T-Shirt-Problems anzunehmen.
Oberbürgermeister Ludwig Hoffmann (SPD) verwies auf die Anzahl der Freiwilligen Feuerwehrleute: „Im Vergleich z.B. zu Minsleben ist der Anteil der freiwilligen Lebensretter in der Stadt unbefriedigend. Wer kennt denn in seiner Verwandtschaft oder Bekanntschaft Feuerwehrleute?“, fragte der OB provokativ in die Runde. Waldemar Nehring fragte dann auch nach, inwieweit es möglich ist, z.B. durch Rentenpunkte das Ehrenamt attraktiver zu machen. Rüdiger Erben: „ Das war eine Forderung des Deutschen Feuerwehrverbandes. Als dann aber nachgefragt wurde, nach welchen Kriterien verfahren werden sollte – ob die einfache Mitgliedschaft reicht, welche Nachweise erbracht werden sollten – hat der Verband dieses Projekt von sich aus nicht weiter verfolgt.“
Torsten Breiting, Chef der städtischen Freiwilligen Feuerwehr, machte auf ein anderes Problem aufmerksam: „Nach der Ausbildung gehen die Jugendlichen weg – und fallen damit auch als Nachwuchs für die Feuerwehren aus.“ Der Staatssekretär ergänzte, dass dies auch für Abiturienten gilt, „die nach dem Abi in Hochschulstädte gehen“. Trotzdem sind gerade auf Dörfern und in kleinen Ortschaften, „auch dort, wo es die LPGs von früher als großer Arbeitgeber nicht mehr gibt, die Feuerwehren enger mit der Bevölkerung verwachsen, als in mittleren und Großstädten“. Es kommt darauf an, die Öffentlichkeit auf die wichtige ehrenamtliche Arbeit der Feuerwehren aufmerksam zu machen und viele für das Engagement als Lebensretter zu gewinnen. „In jedem Fall“, so Ortsvereinsvorsitzender Rolf Harder abschließend, „bleibt die Wernigeröder SPD an dem Thema dran und wird nach einer gewissen Zeit erneut alle Akteure einladen um zu sehen, welche Auswirkungen die heutige Diskussion hatte.“