Leserbrief zum Interview mit Wolfgang Böhmer

Im Jahr 2009 begehen wir den 20. Jahrestag der Revolution in Ostdeutschland. Dies sollte ein Anlass sein, mit den historischen Fakten aus der DDR-Zeit besonders korrekt umzugehen. Das gilt auch für den Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer. Wenn er in seinem Interview den Übertritt einiger Weniger aus der gleichgeschalteten DDR-Blockpartei Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) nach der Wende in die gerade neugegründete Ost-SPD mit dem kompletten Übertritt der DBD-Gesamtpartei im Herbst 1990 in die bis Ende 1989 ebenfalls gleichgeschaltete Blockpartei (Ost-)CDU vergleicht und damit relativiert, muss schon darauf verwiesen werden, dass die (Ost-)CDU – im Gegensatz zur SPD – das DBD-Parteivermögen (soweit es rechtmäßig erworben war) und die gesamte Infrastruktur der DBD erhielt. Zumindest finanziell und logistisch wurde damit die (Ost-)CDU zum Profiteur der Auflösung der DBD. Der letzte DBD-Chef und Träger der DDR-Verdienstmedaille, Ulrich Junghanns, wurde übrigens im Jahr 2007 Vorsitzender der Brandenburgischen CDU… Eine Legende bedient Wolfgang Böhmer auch, wenn er das Abstimmungsverhalten von 14 CDU-Volkskammer-Abgeordneten 1972 als “stark beeindruckend” lobt, weil diese gegen das Gesetz zur Fristenlösung bei der Abtreibung “aus christlich-religiösen Gründen” gestimmt und damit offenen “Widerstand” geleistet hätten. In Wirklichkeit hatte der CDU-Parteifraktionsvorstand große Mühe, die Nein-Stimmen zu “organisieren”, um die Kirchen “zufrieden zu stellen” und es demokratisch aussehen zu lassen. Die “mutigen” CDU-Abgeordneten ließen sich versichern, dass ihnen keine Nachteile durch ihr “Nein” erwachsen werden (Quelle: Klaus Taubert: Generation Fußnote, Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf). Bleibt zu hoffen, dass nicht Verklärung und Relativierung im Jahr 2009 die Aufarbeitung der DDR-Geschichte bestimmen werden.

Ralf Mattern, Wernigerode

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