Die Zeit vor 30 Jahren – im Januar, Februar, März 1990 – war auch in Wernigerode eine politische aufregende Phase. Mitte März standen die ersten freien Volkskammerwahlen in der noch existierenden DDR an. Das Machtmonopol der SED und ihrer Blockparteien war gebrochen. Neue politische Kräfte, wie die Sozialdemokratische Partei, die Grünen oder die im Bündnis 90 zusammengeschlossenen DDR-Bürgerrechtler, versuchten, sich nach ihrer gerade erfolgten Gründung zu etablieren und im Wahlkampf Gehör zu verschaffen. Auch davon berichtete eine TV-Dokumentation des SWR, die in jener Zeit in der bunten Stadt gedreht und seitdem nicht mehr öffentlich gezeigt wurde. Die Wernigeröder Sozialdemokraten fanden diesen Fernsehschatz nun im Archiv des Südwestfunks und präsentierten diese TV-Erinnerung in ihrer monatlichen öffentlichen „MittenDrin“-Veranstaltung.
Zudem berichteten in einer Podiumsdiskussion vor wenigen Tagen Zeitzeugen wie Siegfried Siegel und Wilfried Obermüller von der Gründung der SPD-Ortsgruppe am 2. Januar 1990, von ihren politischen Vorstellungen nach der Herbstrevolution, von den spannenden Ereignissen, die täglich neu auf sie einströmten, von ihren politischen Erfolgen (Siegel ist seit 1990 Stadtrat in Wernigerode und war erster Vorsitzender des SPD-Ortsvereins; Obermüller ist vorallem bekannt als langjähriger Ilsenburger Bürgermeister) und von den naturgemäß nicht zu vermeidenden politischen Niederlagen in den letzten 30 Jahren. Mit Elke Wesche, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins „Vor dem Herzogtore“ in Wolfenbüttel, blickte auch eine Niedersächsin quasi von außen auf die Umbruchzeit in Wernigerode und in der DDR und äußerte ihre Hochachtung vor dem Mut der im Herbst 1989 ihre Freiheit erkämpfenden Ostdeutschen. Die DVD der SWR-Dokumentation mit dem Titel „Augen zu und durch“ ist übrigens in der Harzbücherei ausleihbar.