Wie allgemein bekannt ist, haben deutschlandweit die knapp 475.000 SPD-Mitglieder zurzeit die Gelegenheit, in einem Mitgliederentscheid über die Regierungsbeteiligung ihrer Partei abzustimmen. Knapp 30 Sozialdemokraten und Interessierte diskutierten am 2. Dezember im Rahmen des „Wernigeröder Montagsgesprächs“ über das Für und Wider einer Großen Koalition. Eingeladen war mit dem Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordneten Burkhard Lischka zudem ein kompetenter Gesprächspartner, der klar für eine Zustimmung der SPD-Mitglieder für den Koalitionsvertrag warb. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Ortsvereinsvorsitzenden Kevin Müller, der zu Beginn zunächst die wichtigsten Eckpunkte aus dem gemeinsamen Papier von CDU/CSU und SPD referierte und sich zustimmend zu einer Großen Koalition äußerte.
Deutlich wurden dabei jedoch auch mögliche „Sollbruchstellen“ für eine Koalition aus Union und SPD: Das sind die Projekte, die die Sozialdemokraten in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt haben, die aber zugleich unter Finanzierungsvorbehalt stehen. „Die Koalition wird einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 23 Milliarden Euro haben – laut Wirtschaftsprognose wird das funktionieren, wenn nicht, muss man das anders hinbekommen“, so Lischka.
In der Diskussion wurden vor allem Vorbehalte deutlich, dass die CDU-Bundeskanzlerin Merkel wie in der letzten Großen Koalition die Erfolge für sich reklamieren könnte und die SPD schwächt. „Es kann nicht wieder so sein, dass die SPD im Maschinenraum schuftet und sich Frau Merkel auf dem Sonnendeck aalt“, brachte es Petra Börst-Harder auf den Punkt. Enttäuschung herrschte darüber, dass es offenbar auf dem Gebiet des Föderalismus (z. B. in der zersplitterten Bildungslandschaft) auch mit einer großen Koalition keine Änderungen geben wird, so auch bei Dr. Stefan Krüger. Kritisiert wurden, z. B. von Mario Richter, die Beschlüsse zur Vorratsdatenspeicherung.
Siegfried Siegel zeigte sich skeptisch, ob es wirklich „das einzige Ziel einer Gesellschaft sein kann, immer mehr und mehr zu verkaufen“. Während Robert Marhold wegen der sozialdemokratischen Handschrift, die der Koalitionsvertrag „u. a. mit der Einführung des Mindestlohnes und der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren trägt“ seine Zustimmung zum Koalitionsvertrag signalisierte, war Ralf Mattern der Auffassung, dass die Wähler der SPD bewusst keinen Regierungsauftrag gegeben haben und es zurzeit zwar eine parlamentarische, aber – wenn man die 5%-Hürde außer Acht lässt – eben keine gesellschaftliche Mehrheit für Sozialreformen in Deutschland gibt.
Dirk Michelmann und Wolfgang Dannheim machten darauf aufmerksam, dass in einer großen Koalition nach vier Jahren Regierungsbeteiligung möglicherweise das soziale, solidarische, freiheitliche und chancengerechte Gesellschaftsmodell der SPD verwaschen wird“. Einig war sich die Runde, dass die Verhandlungsgruppe der SPD und besonders Sigmar Gabriel in den Koalitionsverhandlungen „eine super Arbeit gemacht“ haben. Gleichwohl scheint zumindest bei den Anwesenden Sozialdemokraten die Skepsis in Bezug auf eine große Koalition zu überwiegen. Burkhard Lischka verwies abschließend darauf, dass „eine Große Koalition nur eine nüchterne Zweckehe ist“. Dr. Stefan Krüger hatte hingegen die Lacher auf seiner Seite mit dem Einwurf: „Aber Scheinehen sind in Deutschland verboten.“