Leserbrief vom 25. Juni 2009 (veröffentlicht)

Man muss einigen der Leserbriefschreibern beipflichten, wenn sie zweifelnd fragen, wie Besuchern in Zoos Lebensräume von großen Wildtieren nachempfinden sollen, wenn diese Tiere zumindest im Winter in gefliesten Hallen stehen oder apathisch herumliegen müssen. Abgesehen davon, dass man hier wohl kaum von „artgerechter Haltung“ sprechen kann, stellen sich allerdings in Zeiten der Existenz von „Safariparks“, des Internets, vierzig empfangbarer Fernsehkanäle und einer Vielzahl von Dokumentationen auf VHS, DVD und in Buchform die grundsätzlichen Fragen, ob sich zum Einen ein Zoo im 21. Jahrhundert noch immer die gleichen Ziele stellt, wie einhundert Jahre zuvor, als die Menschen exotische Tiere (und deren Lebensweise) nur vom Hörensagen kannten und zum Anderen wie „sinnvoll“ ein Tiergehege einer Großstadt (und das gilt nicht nur für Magdeburg) speziell zum Beispiel das ausgeprägte Wanderverhalten frei lebender Elefanten „nachstellen“ kann. Wenn die im Zoo gehaltenen (Wild)-Tiere allerdings lediglich zur Belustigung der zahlenden Kundschaft dienen (Zoodirektor Perret hatte in der Vergangenheit die „Neuerungsidee“ namens „Tierisch nah“, bei der man Elefantenrüssel anfassen sollte, warum nicht demnächst den – hoffentlich “rassereinen” – Löwen mal einen lustigen „Haarschnitt“ verpassen oder als anderen Gag ein paar Riesenschlangen verknoten lassen?) begibt sich ein Zoo in der Tat auf das Niveau eines Jahrmarkts. Dabei gäbe es tatsächlich interessante und sinnvolle Aufgaben für ein Tiergehege: Allein in Deutschland sind fast 100 “Nutztier”-Rassen in ihrem Bestand als “gefährdet” oder “extrem gefährdet” eingestuft. Vor dem 2. Weltkrieg gab es z.B. in Bayern etwa 34 Rinderrassen – jetzt sind es noch fünf (Quelle: Greenpeace)! Man züchtete “Hochleistungstiere”, die zu einer Verengung der Erbanlagen führten. Der Tierpark “Arche Warder” bei Neumünster hat sich 70 seltener “Nutztier”-Rassen (ob Esel, Pferd, Gans, Rind, Schwein, Ziege, Schaf oder Huhn) angenommen. Ist dies nicht eine sinnvollere Bewahrung vom Aussterben bedrohter Tiere, als die niemals zu einer Auswilderung fühende Zucht von exotischen Wildtieren, deren Lebensraum der Mensch längst zerstört (hat)?

Ralf Mattern

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.