„Haben keine einzige Ansiedlung dem Kreis zu verdanken“
Über die wirtschaftliche Entwicklung Wernigerodes im 20. Jahr der deutschen Einheit wurde am SPD-Bürgerstammtisch gesprochen. Die Genossen wählten das Thema wohl nicht ohne Grund, hatte doch CDU-Landrat Michael Ermrich jüngst auf dem Mitgliedertreff seiner Partei betont, die gute wirtschaftliche Entwicklung im früheren Kreis Wernigerode sei auch ein Erfolg intakter Strukturen.
Ermrich hatte in Thale dabei ausdrücklich seine Kreis-Wirtschaftsförderung und die „Harz AG“ genannt. Wernigerodes Wirtschaftsförderer Ralf Quednau beteuerte jedoch: „Dem Kreis haben wir in Wernigerode keine einzige Firmenansiedlung zu verdanken.“ Wer nach dem Anteil von Kreis-Wirtschaftsförderung und „Harz AG“ an Wernigerodes Wirtschaftskraft frage, dem antworte er: „Die Kreisverwaltung kann keinen einzigen Quadratmeter Gewerbefläche anbieten, das ist die ureigenste Angelegenheit einer jeden Kommune – das sagt eigentlich alles aus“, so Quednau. Befremdet zeigte sich der Wernigeröder Stadtverwalter zudem vom Vorgehen des Landrates in dessen Funktion als Chef der „Regionalen Planungsgemeinschaft“, der seine „Harz AG“ für knapp 100 000 Euro mit einem Industrie und Ansiedlungskonzept für die Region beauftragt habe.
Quednau: „Ohne zuvor darüber mit den Wirtschaftsförderern in Halberstadt, Quedlinburg, Sangerhausen und Wernigerode zu sprechen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht wohl anders aus.“ Am Stammtisch sagte Ralf Quednau auch, dass Wernigerode für die internationale Vermarktung seiner Industrie- und Gewerbeflächen intensiv mit der landeseigenen Investitions- und Marketinggesellschaft zusammenarbeite, „das kann der Kreis gar nicht leisten“. Ortsvereinschef Ludwig Hoffmann beteuerte in der Debatte, die Kreis-Wirtschaftsförderung sei dort gefragt, wo Kommunen keine eigenen Wirtschaftsförderer hätten. Zudem sei diese beispielsweise für die Förderung von Landwirtschaftsdiesel zuständig. Zur „Harz AG“ sagte Wernigerodes Ex-Oberbürgermeister, diese habe schon ihre Berechtigung, wo beispielsweise übergreifende touristische Aufgaben wahrzunehmen seien. Der SPD-Kreistagsabgeordnete und frühere Wernigeröder Vizelandrat Erwin Harz schätzte ein, eine Kreis-Wirtschaftsförderung gäbe es de facto nicht mehr: „Das läuft alles mehr oder weniger über die ‘Harz AG‘.“ Armin Willingmann bekräftigte als Vorsitzender des städtischen Wirtschaftsausschusses, dass es parteien- und fraktionsübergreifend die Auffassung gibt, die Wernigeröder Wirtschaftsförderung leiste eine erfolgreiche Arbeit. An die Firmen appellierte er, nur mit attraktiven Angeboten – auchbei Löhnen und Gehältern – könne dem beginnenden Fachkräftemangel begegnet werden.
Für Investitionen in Wernigerode sprächen hervorragende Standortbedingungen: B 6-Anschluss, intakte Natur, vielseitige Kinderbetreuungsangebote, akademische Ausbildungsmöglichkeiten und ein reiches Kulturleben, so der Rektor der Hochschule Harz. Wie Ralf Quednau bilanzierte, habe die Stadtverwaltung mit Hilfe von 34 Millionen Euro fünf Gewerbegebiete entwickelt, in denen heute knapp 5200 Menschen arbeiteten. Im kommenden Jahr, so kündigte der Wirtschaftsförderer an, werde für 7,7 Millionen Euro ein weiteres Industrie- und Gewerbegebiet erschlossen.
Bericht und Bild von Tom Koch erschienen am 6.10.2010 – Mit freundlicher Genehmigung der Harzer Volksstimme